Warum es keine „beste Übung“ gibt – und was stattdessen zählt
- Christoph Massak
- 18. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Wenn man online nach Trainingstipps oder Rehaübungen sucht, stößt man schnell auf Aussagen wie:„Die drei besten Übungen gegen Rückenschmerzen“ oder „Die effektivste Übung für den Core“. Solche Überschriften klingen verlockend – sie versprechen einfache Antworten auf komplexe Probleme. Doch die Realität ist differenzierter: Es gibt keine universell beste Übung.
Wissenschaftlich betrachtet hängt der Trainingserfolg von einer Vielzahl individueller Faktoren ab. Eine Übung, die für eine Person perfekt funktioniert, kann für die nächste Person völlig unpassend sein – oder gar zu Beschwerden führen.

1. Warum es keine „beste Übung“ gibt
Jeder Mensch bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit:
Körperliche Voraussetzungen (Beweglichkeit, Kraft, Stabilität, Koordination)
Trainingserfahrung und Bewegungskompetenz
Belastungstoleranz und Schmerzverhalten
Alltag, Beruf, Schlaf, Stress und Ernährung
Motivation und persönliche Vorlieben
Eine Übung kann also nie isoliert bewertet werden. Sie steht immer im Kontext der Person, des Ziels und der Belastbarkeit. Das erklärt, warum zwei Menschen mit der gleichen Diagnose (z. B. Knieschmerz) völlig unterschiedliche Übungsprogramme brauchen – und dennoch beide Fortschritte erzielen können.
In einer Studie von Bennell et al. (2015) zeigten sich bei Patient:innen mit vorderem Knieschmerz vergleichbare Verbesserungen in verschiedenen Übungsgruppen – unabhängig davon, welche spezifischen Übungen durchgeführt wurden. Entscheidend war nicht die Übung selbst, sondern die Regelmäßigkeit und der Belastungsaufbau.
2. Was stattdessen wirklich zählt
Statt nach der „besten“ Übung zu suchen, lohnt sich der Blick auf die Prinzipien, die langfristig zum Erfolg führen. Studien aus der Trainings- und Rehabilitationsforschung nennen immer wieder dieselben Faktoren:
Progressive Belastungssteigerung: Körper passt sich nur an, wenn die Belastung über Wochen und Monate leicht zunimmt – sei es durch mehr Gewicht, Wiederholungen oder Bewegungsumfang.
Regelmäßigkeit: 2 bis 3 Trainingseinheiten pro Woche über Monate hinweg sind effektiver als unregelmäßige Intensivphasen.
Präferenz: Übungen, die Spaß machen oder als sinnvoll empfunden werden, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit langfristig beibehalten.
Selbstwirksamkeit: Menschen, die erleben, dass sie durch Training aktiv etwas verändern können, bleiben motivierter und konsequenter.
Diese Erkenntnisse werden unter anderem in den Arbeiten von O’Sullivan et al. (2020) oder McAuley & Courneya (1994) bestätigt: Bewegung wirkt, wenn sie regelmäßig, individuell und progressiv gestaltet ist – unabhängig von der exakten Übungsauswahl.

3. Was das für die Physiotherapie bedeutet
In der Praxis von Therapie & Training bedeutet das: Wir suchen gemeinsam nicht nach „der einen richtigen Übung“, sondern nach einer Lösung, die individuell passt – an das Ziel, den Alltag und die Vorlieben der Patient:innen.
Ein Beispiel: 2 Patient:innen kommen mit Knieschmerz.Die eine trainiert mit Step-ups, die andere mit Kniebeugen. Beide werden stärker, belastbarer und haben weniger Schmerzen – weil sie regelmäßig trainieren, ihre Belastung langsam steigern und Vertrauen in Bewegung zurückgewinnen.
Dieses Prinzip lässt sich auf nahezu alle Beschwerdebilder übertragen – ob Schulter, Rücken oder Sprunggelenk. Entscheidend ist nicht die Form der Bewegung, sondern
die Anpassung an die Person und die konsequente Durchführung.

4. Fazit
Die „beste Übung“ gibt es nicht. Aber es gibt Prinzipien, die immer funktionieren:
Bewegung, Progression, Regelmäßigkeit und Freude.
Wenn man lernt, diese Faktoren langfristig zu kombinieren, wird jede Übung zur besten Übung – für einen selbst. Das Ziel ist nicht, die perfekte Bewegung zu finden, sondern die Bewegung zu finden, die man regelmäßig und mit Überzeugung durchführen kann.



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